Neulich hat mich jemand gefragt: «Sag mal, wann hast du das letzte Mal etwas zum ersten Mal gemacht?» Nach einigem Überlegen antwortete ich: «Ich habe mich Anfang des Jahres für einen Pilates-Kurs angemeldet.»
«Gute Frage», dachte ich mir. Sollte mir morgen jemand diese Frage stellen, müsste ich nicht lange überlegen. Stolz würde ich erwidern: «Ich habe meinen allerersten Blogartikel veröffentlicht!” DAS ist tatsächlich ein erwähnenswertes erstes Mal! Schliesslich lag die Tätigkeit «Bloggen» bisher weit ausserhalb meiner Komfortzone. Vermutlich wird das auch noch ein paar Artikel lange so bleiben.
Vielleicht fragst du dich jetzt, weshalb ich das vermute. Ganz einfach: Auch wenn ich Coach für Veränderung und Neuorientierung bin, bin ich nicht immun gegen die Angst vor dem Neuen. Mich beschäftigen zum Beispiel gerade Zweifel wie diese: «Was, wenn niemand den Artikel liest?» Oder – noch schlimmer: «Was, wenn jemand ihn doof findet?»
Was ich dagegen tue? Durchatmen und weiterschreiben. Oder: «Gring ache u seckle», wie wir Berner gerne die Langstreckenläuferin Anita Weyermann zitieren.
Was Angst ist, woher sie kommt und wie du sie überwinden kannst, erfährst du im folgenden Artikel.
Angst als Schutzmechanismus
Angst ist eine Emotion, die als natürlicher Schutzmechanismus vor Gefahren wirkt. Sie ist primär dazu da, um uns vor Schmerz, Verletzung oder gar Tod zu bewahren.
Angst ist also einfach nur menschlich!
Eine konkrete Bedrohung von aussen ruft ein Gefühl von Furcht hervor. Dies wirkt direkt auf unser Verhalten und löst körperliche Reaktionen aus wie Verteidigung, Flucht oder Schockstarre (fight, flight, freeze).
Sogar die reine Erwartung von drohender Gefahr kann Angst in uns aufsteigen lassen. Dies basiert oft auf einer Erfahrung, die wir nicht noch einmal machen möchten.
Stell dir als Beispiel folgendes vor: Du bist umgezogen und hast dich auf deinen neuen Wohnort gefreut. Er liegt im Grünen, verfügt über eine gute Infrastruktur und die Nachbarn scheinen auch ganz nett zu sein. Ein guter Tausch also gegen die enge und düstere Wohnung, in der du vorher gewohnt hast.
Nach ein paar Wochen stellst du aber fest, dass es deinen Kindern in der Schule gar nicht gefällt. Sie werden gemobbt und leiden sehr unter dieser Situation. Das belastet natürlich auch dich und die ganze Familie.
Vermutlich wird es dir daraufhin schwerfallen, deinen Umzug insgesamt als positiv zu bewerten. Du kannst die Situation bewusst nachvollziehen und dein Verstand bewertet diese Erfahrung verständlicherweise als negativ.
Deine Erfahrung lehrt dich, dass eine Veränderung unliebsame Konsequenzen haben kann. Einem zukünftigen Umzug wirst du also vermutlich deutlich skeptischer gegenüberstehen, da du Angst hast, vom Regen in die Traufe zu gelangen.
Aber nicht immer steht Bedrohung von Aussen oder eine konkrete Erfahrung hinter der Angst. Manchmal äussert sich auch ganz leise ein diffuses, irgendwie unangenehmen Gefühl. Auch wenn sich eine solche Angst viel subtiler zeigt, werden wir alles tun, um die (vermeintlich) drohende Gefahr zu vermeiden.
Woher kommt beispielsweise unergründliche Angst vor Neuem?
Angst vor Veränderungen – Die Bequemlichkeit des Gehirns
Ein kleiner Exkurs in die Tiefen unseres komplexen Gehirns hilft uns, die Angst vor Veränderung etwas besser zu verstehen.
DIe primäre Aufgabe unseres Gehirns besteht darin, uns am Leben zu erhalten. Genau darauf ist seine Funktionsweise ausgerichtet.
Dein Gehirn sorgt über Signale an den Körper dafür, dass lebenswichtigen Funktionen wie zum Beispiel Atmen, Verdauen oder die Zellerneuerung jederzeit aktiv sind. Auch die Befriedigung deiner Grundbedürfnisse wie Trinken, Essen und Schlafen werden vom Gehirn gesteuert.
Darüber hinaus reagiert es permanent auf das Geschehen im Aussen. Wenn du einer konkreten Bedrohung direkt gegenüberstehst, reagiert dein Körper reflexartig – also automatisch und deshalb schnell. Müsstest du zuerst überlegen, was zu tun ist, wäre es vielleicht schon zu spät.
Das bedeutet alles schon ganz schön viel Arbeit. Ganze 20% der gesamten Energie, die unserem Organismus zur Verfügung steht, werden alleine im Ruhezustand verbraucht. Jede noch so unbedeutende Denkleistung kostet zusätzliche Energie. Je weniger du aktiv und bewusst denken muss, desto energiesparender funktionierst du also.
Auf diese Weise hat dein Hirn genügend Kapazitäten für den Notfall, wenn es Neues und Wichtiges verarbeiten muss. Das kann lebensrettend sein!
Deshalb versucht das Gehirn, den Energieverbrauch möglichst niedrig zu halten und automatisiert so viele Aktionen wie möglich. Dabei geht es nicht nur um die physischen Grundfunktionen wie Atmung oder Verdauung, sondern auch um die Interaktion mit der Umwelt und Tätigkeiten wie beispielsweise Fahrradfahren.
Auch beim Fahrradfahren geht es um schnelle Reaktionen und Reflexe. Die Koordination aller Wahrnehmungen, ihrer Umsetzung in motorische Handlungen und die ununterbrochene Überprüfung des Resultats ist eine grossartige Leistung unseres Körpers! Um den Energieverbrauch zu minimieren, wird auch solches aus dem denkenden Hirn ausgelagert und automatisiert.
Willst du nun Autofahren lernen, ist das wieder etwas völlig Neues, mit dem dein Hirn noch nie konfrontiert wurde. Die bekannten Fahrrad-Automatismen funktionieren nicht und das Gehirn muss sich wieder damit beschäftigen, neue Eindrücke und Herausforderungen zu verarbeiten und passende Reaktionen und Verhaltensweisen zu finden und zu koordinieren.
Damit das Gehirn sich dazu bereit erklärt, so viel Energie in dein Vorhaben zu investieren, musst du ihm einen guten Grund liefern. In diesem Beispiel vielleicht, dass du einen neuen, abgelegenen Arbeitsort hast und du die Strecke dahin nicht mehr mit dem Fahrrad bewältigen kannst, und deshalb ein Auto brauchst. Kannst du es nicht überzeugen, wird es sich gegen den Aufwand wehren, und dich dazu verleiten, einfach beim Alten zu bleiben.
Eine Veränderung muss sich aus Sicht des Gehirns also lohnen. Das erwartete Resultat muss einen klaren Mehrwert bieten. Sonst setzt das Gehirn alles daran, die Veränderung zu unterbinden. Da unser Gehirn für unser Denken, Handeln und Fühlen verantwortlich ist, findet es unheimlich viele Möglichkeiten, eine Neuerung zu sabotieren.
Wie unsere Psyche auf Veränderung reagiert – Die Reaktion des Unbewussten
Auch unsere Psyche wird mehr oder weniger direkt unbewusst gesteuert. Unsere Gedanken, Gefühle und unser Handeln entziehen sich gerne der Kontrolle durch den bewussten Verstand. So tun wir manchmal Dinge, die wir selbst nicht verstehen und verspüren eine diffuse Angst vor gewissen Situationen, obwohl es keinen rational nachvollziehbaren Grund dafür gibt. Ausser eben, dass offenbar in irgendeiner Art unsere Grundbedürfnisse verletzt werden.
Unsere Psyche wirkt sich auf unterschiedlichste Weise auf unseren Umgang mit Veränderungen aus und schafft es, uns zu blockieren. Im Folgenden findest du ein paar mögliche Ursachen für unsere Vorbehalte gegenüber einer Veränderung.
- Der Schritt aus der Komfortzone
Eine Veränderung anzugehen, bedeutet auch immer, einen Schritt aus der Komfortzone zu wagen. Dort fühlen wir uns wohl, da unser Bedürfnis nach Sicherheit befriedigt wird. Denn was wir kennen, gibt uns Sicherheit und ein Gefühl von Vertrautheit. Das Unbekannte hingegen macht uns unsicher. Und das fühlt sich nun halt mal bedrohlich an. «Wie soll ich bloss darauf reagieren? Was tue ich nur, wenn…» Diese und ähnliche Fragen plagen uns in Situationen, die neu für uns sind. - Gefühl von Kontrollverlust
Neben Sicherheit wünschen wir uns auch Kontrolle. Gerade in der Anfangsphase einer Veränderung wissen wir aber oft nicht, wohin die Reise gehen wird. Wir fühlen uns verloren, ohne Boden unter den Füssen und im luftleeren Raum. Wir sind uns zudem bewusst, dass wir uns während einer Veränderung immer wieder von Neuem auf unbekannte Herausforderungen und unerwartete Wendungen werden einstellen müssen, über die wir keine Kontrolle haben. - „Ich kann das eh nicht“ – mangelndes Selbstvertrauen
Bei tief verankerten inneren Überzeugungen fällt es uns meist schwer, sie zu hinterfragen. Solche «Glaubenssätze» hindern uns daran, die Schritte zu tun, die für die gewünschte Veränderung notwendig sind. Glauben wir zum Beispiel, «ich kann das eh nicht», dann überlegen wir meist nicht, warum wir das denken. Wir nehmen die Aussage einfach als wahr an, und handeln danach (oder handeln eben nicht).
Dieser Gedanke lässt uns schon vor dem ersten kleinen Schritt zurückschrecken. Die Angst vor dem Versagen sitzt uns im Nacken, bevor wir angefangen haben. Dann lassen wir’s doch lieber gleich. - Fehlender Leidensdruck
Veränderung ist anstrengend. Einem ersten Schritt folgen weitere, bis wir endlich wieder an einer Stelle stehen, an der wir uns wohl fühlen können. Wenn uns der Nutzen, den wir durch die Veränderung erwarten, zu gering erscheint, ziehen wir das bisschen Leiden vor. Floskeln wie «Das wird schon wieder» oder «so schlimm ist es ja nun auch wieder nicht», beruhigen uns in dieser Situation ungemein. - Veränderungen können schmerzhaft sein
Eine Neuerung erfordert oft auch das Loslassen des Alten, das nicht mehr passt. Das kann eine Arbeitsstelle bedeuten und das dazugehörige soziale Umfeld. Oder eine Beziehung. Oder sogar das eigene Bild von sich selbst. Die Perspektive, etwas gehen lassen zu müssen, kann ebenso Angst auslösen wie das Unbekannte. - Angst vor der Angst
Vielleicht ist dir aufgefallen, dass es in den vorangehenden Punkten mehrmals um irgendwelche Ängste ging. Die Angst davor, auf unserem Weg durch eine Veränderung irgendetwas Schlimmes und Schmerzhaftes zu erleben, hält uns davon ab, den Schritt aus der Komfortzone zu wagen. Vielleicht ist es manchmal auch einfach die Angst vor solchen Ängsten, die uns in unserem bequemen, vertrauten und vielleicht sogar unbefriedigenden Status Quo verharren lässt.
Wie Du mit Angst vor dem Neuen umgehen kannst – 6 Tipps
Du siehst: die Angst vor Veränderung hat viele Ursachen und Gesichter. Entsprechend viele Ansätze gibt es auch, wie du individuell mit ihr umgehen kannst.
DIe folgenden 6 Tipps sind aber meines Erachtens in jedem Fall sinnvoll!
- Durchatmen
Wenn du deinen Atem beruhigst, signalisierst du deinem Gehirn, dass du keinen Grund zur Panik siehst. Dadurch gewinnst du Distanz und die Kontrolle über dein Gedankenkarussell zurück.
- Akzeptieren
Schau der Angst in die Augen und begrüsse sie. Sie ist ein Teil von dir, und hat auch ihre Daseinsberechtigung. Du brauchst sie nicht unbedingt zu mögen, aber respektiere sie, so wie sie sich dir zeigt. Du wirst dich auf alle Fälle wohler fühlen, wenn sie vor dir steht, als wenn sie dir im Nacken sitzt.
- Hinterfragen
Wovor genau will dich deine Angst bewahren? Welche Konsequenzen möchte sie dir ersparen? Was ist das Schlimmste, das dir passieren könnte?
- Teilen
Teile deine Gedanken und Ängste mit jemandem. Du brauchst dich nicht dafür zu schämen – deine Gefühle sind absolut verständlich und normal! Ein Gespräch mit einer vertrauten Person kann dir helfen, die Situation in einem anderen Licht zu sehen. Deine Befürchtungen werden dadurch greifbarer. Das gibt dir Sicherheit.
- Perspektive schaffen
Indem du dich auf die Chancen fokussierst, die dir eine Veränderung bietet, werden dir die Vorteile bewusst. Dadurch verschieben sich die Faktoren in der Kosten-Nutzen-Rechnung. Es hilft dir auch, offen zu bleiben für Möglichkeiten, die sich dir bieten werden.
- Erfolge feiern
Bestimmt hast du Veränderungen auch schon erfolgreich überstanden. Erinnere dich daran! Solche Erinnerung machen dich zuversichtlich und stärken dich für neue Herausforderungen!
Angst vor Veränderung – Auf den Punkt gebracht
Angst vor Veränderung ist ein zutiefst menschliches Gefühl. Wir alle verspüren sie zuweilen auf die eine oder andere Weise.
Unser Gehirn versucht durch diesen Effekt, uns vor einem übermässigen Verbrauch unserer Energiereserven zu bewahren, damit diese im Notfall noch zur Verfügung stehen.
Dass unserer westlichen Gesellschaft heute die Gefahr vermutlich eher durch Stagnation droht als durch den längst ausgestorbenen Säbelzahntiger, hat sich in der menschlichen Evolution noch nicht implementiert. Unser Gehirn funktioniert in dieser Hinsicht noch immer wie in der Steinzeit.
So gesehen ist Angst vor Veränderung einfach ein Hirngespinst.
Wenn wir uns dessen bewusst sind und uns achtsam mit dem Thema Angst beschäftigen, können wir sinnvolle und hilfreiche Strategien entwickeln, wie wir damit umgehen. Sich der Angst zu stellen und sie auszuhalten, ist ein guter Anfang. Ein paar konkrete Tipps hast du ja oben erhalten.
Warum eine Veränderung Sinn machen kann – Die Belohnung am anderen Ende der Angst
Zugegeben: Durch eine Angst hindurchzugehen, fühlt sich enorm anstrengend an. Aber am anderen Ende wartet die verdiente Belohnung! Nicht nur in Form der erwünschten Verbesserung, sondern auch einen beträchtlichen Gewinn an Stärke, Selbstvertrauen, Erkenntnissen, Erfahrung, Entwicklung und Wachstum.
Genau deshalb habe ich entschieden, dass der Nutzen, diesen ersten Artikel zu veröffentlichen für mich grösser ist als die Kosten. Entwicklung und Wachstum ist mir wichtig. Ich finde den Nutzen aber auch darin, dass ich durch einen Blog meine Mission leben kenn.
Es ist mir ein grosses Anliegen, Menschen dabei zu unterstützen, die Angst vor Veränderungen zu verlieren, da sie ihnen zuweilen im Wege steht. Deshalb begleite ich als Coach und betriebliche Mentorin Menschen auf ihrer Reise durch eine Veränderung. (Zu meiner Arbeitsweise findest du hier weitere Informationen)
In unserem schnelllebigen, vernetzten und immer komplexeren Umfeld werden wir immer häufiger mit allerlei Veränderungen konfrontiert. Umso wichtiger wird es auch sein, dass wir nicht bei jedem Anzeichen einer anstehenden Anpassung in Schockstarre verfallen, sondern dass wir uns auf die Herausforderung einlassen können.
Ich wünsche mir, dass wir anstehende Veränderungen als Chance wahrnehmen können. Nicht als Bedrohung, sondern als Möglichkeit, etwas zu bewirken, kreativ zu sein und etwas Neues und Sinnvolles zu erschaffen.
Aus meiner Mission entspringt auch das Bedürfnis, mein Wissen und meine Gedanken zum Thema «Veränderung» mit dir und dem Rest der Welt zu teilen. Deshalb dieser Blog, und mein erster Artikel zum Thema Veränderung.
Kurz und gut: Meine Kosten-Nutzen-Rechnung geht auf.
Also: Durchatmen und auf «Veröffentlichen» klicken.
Und du? Wann hast du dich das letzte Mal deiner Angst gestellt und hast etwas zum ersten Mal gemacht? Ich freue mich, wenn du deine Erfahrungen in einem Kommentar teilen magst!
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